Entstehung der Siedlung um 1930

Ausbau von Alt-Nettelnburg

Kampbille im Vordergrund, Straße Kienhagen, links Randersweide, hinten Gutshof an der Nettelnburger Straße

Kampbille im Vordergrund, Straße Kienhagen, links Randersweide, hinten Gutshof an der Nettelnburger Straße, Fotograf unbekannt

Nach dem Ersten Weltkrieg gab es 1919 aufgrund der Wohnungsnot erste Pläne von Mitgliedern des sozialdemokratisch orientierten Reichsbundes der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegshinterbliebenen, eine Siedlungsgemeinschaft zu begründen. Die Wahl fiel auf die Ländereien rund um den Nettelnburger Gutshof, die wegen Überschuldung der Vorbesitzer in den Besitz der Industrie-Terraingesellschaft Nettelnburg übergegangen waren. Am 13. März 1921 konnte die neugegründete Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft Nettelnburg das 114 Hektar große Areal trotz der hohen Hypothekenbelastung erwerben.

Ein neues, 4.000 Meter langes Grabennetz zur Entwässerung des schweren Marschbodens musste ausgehoben werden. Das einzige Hilfsmittel war der Spaten. Zum Transport des Aushubs setzten die Siedler eine Lorenbahn ein, die zunächst durch einen Schimmel und später durch eine Feldbahnlokomotive gezogen wurde. Aus Hamburg kam über den Schleusengraben in Schuten Industrieschlacke, die mit der Feldbahn weiter transportiert und für den Straßenbau verwandt wurde. Die Siedler erbrachten viele dieser Arbeiten als Eigenleistung am Feierabend oder sonntags. Die ersten Häuser wurden 1922 an der Randersweide errichtet.

Die im „Heimatstil“ erbaute Siedlung östlich vom Oberen Landweg und westlich vom Weidenbaumsweg entstand zwischen 1922 und 1930 als Planstadt unter Leitung des Hamburger Architekten Fritz Winterfeld. Nach der Anlage der Gräben begann die Parzellierung mit Grundstücken größer als 1000 Quadratmetern kam.

Der Hamburger Architekt Fritz Winterfeldt hatte mehrere Typen von Doppel- und Einzelhäusern entworfen, die alle mit ihren roten Backsteinfassaden und Dächern sowie den weiß gestrichenen Fenstern und grünen Türen ein einheitliches Erscheinungsbild haben sollten. Vorgeschrieben war eine eingeschossige Bauweise mit Keller-, Erd- und Dachgeschoss, wobei der „Keller“ aufgrund des flutgefährdeten Gebietes und des feuchten Marschbodens auf Geländeniveau errichtet wurde. Vor jedem Gebäude befand sich ein kleiner Vorgarten und hinter dem Haus das langgestreckte Gartenland zum Anbau von Obst und Gemüse. An der Rückseite der Gebäude war ein Stall zur Kleintierhaltung angebaut. Bis Ende 1930 waren insgesamt 327 Häuser fertig gestellt.Bis August 1927 waren bereits 235 Häuser bezogen.

Die Straße Randersweide ist die Keimzelle der Siedlung Nettelnburg. Hier wurde ab Herbst 1921 mit Muskelkraft und Spaten der erste große Entwässerungsgraben ausgehoben. Anschließend bauten die Siedler hier die ersten fünf Doppelhäuser (Randersweide 2 bis 20), die Ende 1922 fertig gestellt waren. Noch heute ist die typische Bauform zu erkennen: Der eigentliche Hauseingang im 1. Stock ist über eine Außentreppe zu erreichen, während der „Keller“ aufgrund des feuchten Bodens ebenerdig liegt.

Das Gebiet zwischen der Straße Randersweide und dem Schleusengraben musste von der Siedlergenossenschaft Mitte der 1920er Jahre wiederverkauft werden und wurde nach und nach zum Industrie- und Gewerbegebiet. Hier siedelte sich seit den 1930er Jahren die Preussag im Zusammenhang mit der Erdölförderung in Reitbrook an. Ab 1961 lag hier auch der „Bergedorfer Schlachthof“, der von den verschiedenen lokalen Schlachtern genutzt wurde, aber nach wenigen Jahren wieder schließen musste

Bau der Siedlung Nettelnburg 1928-1930, Schienenbahn für den Materialtransport

Bau der Siedlung Nettelnburg 1928-1930, Schienenbahn für den Materialtransport, Fotograf unbekannt

Bau der Siedlung Nettelnburg 1928-1930, Randersweide

Bau der Siedlung Nettelnburg 1928-1930, Randersweide, Fotograf unbekannt

Bau der Siedlung Nettelnburg 1928-1930, Bauteam

Bau der Siedlung Nettelnburg 1928-1930, Bauteam, Fotograf unbekannt

Gutshof Nettelburg, Nettelnburger Straße, ca. 1930, Haus des Geflügelzüchtervereins

Gutshof Nettelburg, Nettelnburger Straße, ca. 1930, Haus des Geflügelzüchtervereins, Fotograf unbekannt

Bau der Siedlung Nettelnburg 1928-1930, Geschäft der Produktion

Bau der Siedlung Nettelnburg 1928-1930, Geschäft der Produktion, Fotograf unbekannt

Bau der Siedlung Nettelnburg 1928-1930, Schule

Bau der Siedlung Nettelnburg 1928-1930, Schule, Fotograf unbekannt

Zur Siedlung gehörten Verkaufsläden, ein Feuerwehrhaus, eine Schule, ein Gasthaus, ein öffentlicher Versammlungsplatz mit Sportanlagen und einem Fußballfeld, aber keine Kirche. Die meisten Siedler waren Arbeiter oder Handwerker, die der SPD nahestanden.

Als am 23. November 1930 der Deich des Schleusengrabens brach, war die Randersweide besonders schlimm betroffen. Das Wasser überflutete das Industriegebiet und lief dann in die Straße „In der Hörn“ und die südliche Nettelnburger Straße, wo es bis zu einem Meter hoch in den Häusern stand. Die Tiere aus den Ställen mussten in den oberen Stockwerken in Sicherheit gebracht werden. Durch gezielte Deichdurchstiche gelang es schließlich, das Hochwasser einzudämmen.

Hier finden Sie mehr zur Sturmflut vom 23. November 1930: Die Sturmflut 23. November 1930

Die Siedlung Nettelnburg ist eine der größten und bedeutendsten Siedlungen der 1920er Jahre in Norddeutschland.

Sehen Sie sich auch die Unterseiten an:

Ein Grundstückskaufvertrag aus dieser Zeit
Die Gartenordnung von 1922

(Text aus Wikipedia und vom Kultur- und Geschichtskontor Bergedorf)